Christiane F. / (harte) Drogenszene in der DDR

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Babooshka
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Also bei uns war es völlig normal, das Buch ab 13-14 Jahren zu lesen. Eben 1979 kam es auf, schlug ein wie eine Bombe und die Ausschnitte aus dem Bio-Unterricht machten erst recht neugierig darauf. Ich wollte es unbedingt haben und hatte es ruckzuck durch. Meine Mutter sah das wohl unter dem Standpunkt der Bildung und Abschreckung (sie wusste, dass ich eine 1000%-ige Drogengegnerin war, auch vorher schon). Selber gelesen hat sie das Buch aber nie. Ich weiß nicht, ob sie es sonst vielleicht bereut hätte, dass ich es so früh lesen durfte.

Über den von mir genannten Link kommt man auch in ein Forum und über das Forum auf weitere Seiten mit Fotos auch anderer Personen aus dem Buch sowie Interviews usw. Dort ist auch ein Foto von Christiane aus diesem Jahr zu finden. Es ist wirklich erstaunlich. Sie ist so super attraktiv, dass man nie glauben würde, sie wäre drogensüchtig. Übrigens steht in einem der englischsprachigen Berichte (geschrieben von einem ehemaligen Kumpel aus der Fixerclique, der aber im Buch nicht vorkommt und dieses Jahr verstorben ist), Christiane würde jetzt mit Sohn in Spandau wohnen. Da muss ich direkt mal drauf achten. Aber sie würde nach wie vor oft zum Kottbusser Tor in Kreuzberg fahren, ein Ort, der, so schrieb dieser Kumpel, heute ein bisschen das ist, was der Bahnhof früher war. Christiane fühlt sich also immer noch psychisch zu Drogen hingezogen, ist orientierungslos und weiß nicht so recht was anzufangen mit ihrem Leben. Ich frage mich nur, warum sie nie eine Psychotherapie gemacht hat oder eine richtige Drogentherapie. Wirklich geschafft hat es dagegen ihr damaliger Freund Detlev, der in Schweden in Therapie war. Er hat Frau und Kinder, ist Busfahrer und betrachtet seine damalige Zeit heute als Jugendsünde.

Wie gesagt, der Bahnhof Zoo heute hat außer dem Schwulenstrich an der Rückseite nichts mehr mit dem gemeinsam, was er früher mal war. Er ist schön saniert und renoviert worden und sieht aus wie jeder andere Großstadtbahnhof auch. Du wirst dort kaum noch Spuren aus den 70-ern finden. Das Einzige, was seit damals so ziemlich unverändert ist, das ist die Kurfürstenstr. und die ganze Gegend da drumrum. In der Bülowstr. gibt es auch noch die Originalklos von damals.

Das Sound gibt es schon lange nicht mehr! Es wurde Anfang der 80-er geschlossen, dann kurzzeitig wieder geöffnet und lebte wohl nur noch vom Christiane F.-Tourismus. Es lief auch nicht mehr die gleiche Musik wie früher, aber nun ja, es waren ja inzwischen auch die 80-er, nicht mehr die 70-er. Dementsprechend zog das Sound auch das Fixerpublikum nicht mehr so an, weil das ja auch hauptsächlich wegen der Musik dort war (genaue Infos zur Musik mitsamt Playlisten bekommst du über Luftgitarres Thread zum Thema Sound). Irgendwann Mitte der 80-er muss es ausgebrannt sein, danach wurde das Gebäude abgerissen oder es kam was ganz anderes rein oder irgend sowas. Fakt ist, das Sound in der Genthiner Str. ist seit langer Zeit schon nicht mehr. Dafür gibt es ein Sound im Charlottenburger Kaiserdamm, der aber außer dem alten Logo nichts mehr mit dem früheren gemein hat. Es scheint an bestimmten Wochentagen noch so "Old Sound"-Abende zu geben, wo wahrscheinlich die Musik gespielt wird, aber ansonsten ist dieses Sound was völlig Anderes. An Bilder vom Sound, so wie es damals aussah, kommst du ebenfalls über das Christiane F.-Forum.

Ich selber war nie im Sound, da wie gesagt damals viel zu jung und selbst wenn ich gekommt hätte - ich hätte nie einen Fuß freiwillig dort reingesetzt. ich hatte einen heiligen Horror vor der Drogenszene und es kursierten Gerüchte, die Dealer würden die Leute dort anfixen, indem sie ihnen unauffällig beim Tanzen Spritzen mit H in den Hintern rammten. Was wahrscheinlich nur ein Gerücht war. Viele Leute, die mit Drogen absolut nichts am Hut hatten, fanden das Sound sehr geil, eben wegen der guten Musik, die dort lief. Und mit einem Blick auf die damaligen Playlisten muss ich sagen: Recht hatten sie. Neulich las ich in einem anderen Forum ein sehr nettes Posting von einem damals 14-Jährigen, der des öfteren samstags vorgab, bei seinem Kumpel zu übernachten, "um gemeinsam zu lernen". Ja, lernen ging er dann auch... ins Sound nämlich, nachdem er sich bei dem Kumpel (dessen Mutter auf Nachtdienst war) mit Lockenstab und angemaltem Bartwuchs auf 16 gestylt hatte. Wie er schrieb, bekam er von der Drogenszene herzlich wenig mit, dazu war er viel zu fasziniert von dem ganzen anderen Drumrum im Sound und der geilen Musik.

Die Gropiusstadt existiert noch und ich denke, auf sie trifft am ehesten der Begriff "trostloses Berlin der 70-er" zu. Sie war das typische Inbild einer neu gebauten Beton-Vorstadt in 70-er Jahre Architektur nach dem Muster französischer Großstadt-Betonsilo-Vororte mit allen damit verbundenen sozialen Problemen, da das ja alles Wohnungen vom Sozialen Wohnungsbau sind. Aber es gab damals nicht nur die Gropiusstadt allein. Sie lässt sich fließend austauschen mit dem Märkischen Viertel im Norden und, in kleinerem Ausmaß, dem Falkenhagener Feld und Heerstraße-Nord im Westen (in letzerem Viertel bin ich groß geworden). Ich bin in der Nähe von Gropiusstadt zur Schule gegangen und bin auch heute wieder einmal pro Woche dort, wenn auch nicht so tief in der Ecke, wo früher Christiane gewohnt hat. Ich denke, die Schule, die mein dort wohnender Nachhilfeschüler besucht, muss die sein, auf die auch Christiane damals ging (und, nebenbei gesagt, auch Jeanette Biedermann). Heute hat diese Schule einen recht ordentlichen Ruf. Jedenfalls, Gropiusstadt hat sich auch verändert. Aus dem kleinen Einkaufszentrum, wo Christiane und ihre Mutter immer hingingen, ist eine riesige schicke Shopping Mall geworden, eine der größten Berlins. So wie Heerstraße-Nord in all den Jahren grüner geworden ist, einfach weil die Bäume gewachsen sind, so wird auch die Gropiusstadt heute grüner aussehen. Außerdem ist die Mauer jetzt offen, deshalb wird's da jetzt auch ein bisschen besser sein. Aber ich werde mir das bald mal genauer angucken und nach der Nachhilfe (mein Schüler wohnt übrigens in einem Einfamilienhaus, das gibt's auch in Gropiusstadt) mal rüberfahren. Dann kann ich dir Genaueres berichten, wie es jetzt dort aussieht.

Mit dem Thema Sekten habe ich mich erst sehr viel später befasst und bei uns wurde damals auch wenig darüber geredet. Nur ein bisschen im "Rille" (Rilljohn=Religion)-Unterricht, das war alles. Aber so ziemlich gleichteitig mit dem Christiane F.-Buch brachte der Stern-Verlag auch eins über Sekten raus. Das habe ich später gelesen. Ich glaube, Sekten haben sich die damaligen Fixer öfter mal vor ihren Karren gespannt, indem sie versprachen, sie von den Drogen loszubringen. Christiane war ja auch bei Narkonon, sprich, Scientology. Wahrscheinlich hat Scientology damals mitgekriegt, aha, die Fixer werden immer mehr, dann hängen wir doch schnell noch ein Drogenentzugsprogramm dran, denn damit können wir noch Extrakohle machen.
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Bounty
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das meiste wurd schon gesagt; auch ich habs inner schule gelesen. ich glaub bei mir wars sogar im religionsunterricht...7. oder 8. klasse...
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Babooshka
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[quote]bubu postete
Und folgendes habe ich bei Wikipedia gelesen:

[quote]
Christiane nahm auf eine USA-Reise mehrere Musikstücke mit, darunter auch von der Band Nena. Das Lied 99 Luftballons gelangt auf diese Weise durch Zufall an einen Radiomoderator, der es in den USA spielt. Eine Weltkarriere wird so begründet.
[/quote]Irgendwie kann ich das nicht so recht glauben. Weiß jemand mehr?[/quote]Das halte ich für ein dickes fettes Gerücht. Ich glaube gar nicht mal, dass Christiane in den USA war. In der Schweiz war sie und hat dort einige Leute der Literaturszene kennen gelernt. In Hamburg war sie mit einem von den Einstürzenden Neubauten zusammen. Die Trennung hat sie dann so schwer mitgenommen, dass sie zurück nach Berlin ist und dort ihren ersten Rückfall hatte. Später hat sie einige Jahre in Griechenland gelebt, wo sie auch wieder einen Freund hatte, der mit Drogen zu tun hatte. Inzwischen dürfte sie seit über 10 Jahren wieder in Berlin sein.
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KaiEi
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Nach meinem Kenntnisstand war Christiane F. in den USA. Dort hat sie auch Musikstücke eingespielt. Die 12" wurde dann ohne ihr Wissen in den USA veröffentlicht und nach einem Protest von ihr wieder vom Markt genommen. Ich vermute mal, dass bei den Aufnahmen evtl. auch das Nena-Liedchen aufgenommen wurde, so als Gag. Auf der 12" ist es allerdings nicht drauf, auch nicht auf der deutschen 12".

KaiEi
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[quote]Babooshka postete
Man muss sich vorstellen, der Bahnhof gehörte damals aus irgendwelchen Gründen noch irgendwie zur DDR, so ganz genau kann ich es nicht sagen, wie da die Verhältnisse waren. Jedenfalls durfte die Stadt Berlin nichts daran machen, weil der Bahnhof ihr irgendwie nicht gehörte.[/quote][quote]röschmich postete
Bis wohl Mitte der 80er Jahre gehörte wohl alles was die Bahnstrecken Bahnhöfe und S-Bahn in Westberlin anging der Deutschen Reichsbahn und damit sozusagen irgendwie der DDR.[/quote]Die Betriebsführung der Eisenbahn in West-Berlin lag bei der Deutschen Reichsbahn (die der S-Bahn wurde allerdings 1984 von der BVG übernommen). Rein hoheitlich hatte das keine Auswirkungen, die Bahnhöfe (mit Ausnahme des Bahnhofs Wollankstraße, der auf Ost-Berliner Gebiet lag, aber nur von West-Berlin aus zugänglich war, was an der Plakatierung auch deutlich erkennbar war) waren West-Berliner Territorium. Allerdings hatte die Reichsbahn als DDR-Staatsbetrieb dort das Hausrecht. Insofern hatte die West-Berliner Polizei dort nur sehr begrenzte Möglichkeiten, man wollte sicher auch Provokationen vermeiden. Inwiefern das ursächlich für die Drogenszene dort war, weiß ich nicht. Ich kenne auch weder Buch noch Film, vermute aber, dass der Bahnhof Zoo in gewissem Sinne auch nur Symbol war. Was dort ablief, gab es doch in jeder westdeutschen Großstadt mehr oder weniger.
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LastNinja

Neuigkeiten (Aussehen von gestern) von Christiane F. findet man hier:

http://bz.berlin1.de/pdfviewer/pdfviewe ... 0707_pdf/8
(PDF-Datei)
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Babooshka
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Danke LastNinja! Kannst du die Fortsetzung auch hier reinstellen, bitte, sofern du sie hast?
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LastNinja

Jups......das wäre dann morgen
:D
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LastNinja

hier dann mal Teil zwei von gestern:

http://bz.berlin1.de/pdfviewer/pdfviewe ... 708_pdf/12
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Babooshka
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Oha, so langsam sieht sie wirklich angegriffen aus. Vorher war sie ja erstaunlich attraktiv für das, was sie alles hinter sich gebracht hat. Ich interessiere mich immer dafür, wie es ihr geht; so recht eine Perspektive hat sie ja immer noch nicht, abgesehen von ihrem Sohn. Kriegen wir die Fortsetzung auch zu lesen, bitte?

Stella war übrigens von der Drogen- in die Alkoholsucht gewechselt und galt als "polytoxikoman". Gerüchten zufolge soll sie vor kurzem verstorben sein. Auf den zuletzt bekannt gewordenen Fotos sah sie auch ziemlich schlimm aus.
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