AW: Christiane F.
Verfasst: Do Jan 29, 2009 4:38 pm
Hi
Der letzte Eintrag ist schon älter, aber wenn man jetzt erst zum Forum stößt, dann geht´s manchmal nicht schneller.
Nein, ich kenne Christiane persönlich nicht.
Ich bin 1960 in Berlin West geboren. Groß geworden bin ich damals in Friedenau/Schöneberg, was jetzt irgendwie zu Steglitz gehört. Zu der Zeit hatte West Berlin, ca. 4 Millionen Einwohner und die hälfte davon waren Ausländer. Die hälfte davon waren Türken, somit setzte sich der Rest aus allen Landsleuten zusammen, die es halt so gibt. Obwohl ich selber mit Ausländern kein Problem hatte, so waren mir persönlich die Pakistani eher unheimlich. Von denen wusste man eigentlich nur so viel: Wenn sie nicht in einer Frittenbude arbeiten, dann lieferten sie sich Nachts Schiessereien in der Potsdamer Strasse. (das dürfte aber mein persönliches Vorurteil sein.)
Natürlich gab es damals, wie heute auch die "Otto-Normal-Bürger" und die "Abtrünnigen".
Und natürlich wurde auch damals vieles dramatisiert.
Z.B. waren meine Eltern davon überzeugt, das jeder Motorradfahrer ein Rocker ist und jeder Rocker somit ein kriminelles Subjekt. Zu der Zeit kannte man (z.B. Hells Angels vom Namen nach) einige Motorradgangs, aber sicherlich war nicht jeder automatisch in einer kriminellen Vereinigung.
Das gleiche gilt auch für die nachfolgenden Punkten, die sich so eingebürgert haben, bzw. miteinander verbunden wurden.
*Nur Drogenabhängige und Dealer findet man im Sound.
* Potsdammer Strasse ist ein einziger Strassenstrich. Man beachte bitte, das sich in der Potsdamer Strasse ein Jugendtreff befand, wo ich auch eine zeit lang regelmäßig war. Natürlich gab es da Läden, wo die Schaufenster verdunkelt waren. Nutten habe ich aber nicht wirklich welche gesehen. (oder aber nicht als solche erkannt.)
*Kreuzberg ist da, wo der Abschaum wohnt. (Ausländer, Studenten, Hausbesetzer, Terroristen.)
*Babystrich, Stricher und Drogenumschlagsplatz am Bahnhof Zoo.
Bis auf´s Sound, bin ich oft und regelmäßig überall an diesen verruchten Orten gewesen und habe es unbeschadet überlebt. Ich weiß nicht, wann das "Bösen" auf die Strasse gekommen sind, aber irgendwie habe ich die immer verpasst. Soviel ich weiß, haben sich die Bösen eher hinter dem Bahnhof Zoo rumgetrieben und Ottonormalverbraucher wird das kaum wahr genommen haben, es sei denn das der Spruch doch stimmt: "Nur ein Kiffer erkennt einen anderen Kiffer."
Ich war einmal im Sound, ca. 18 Jahre und mir wurde Nichts angeboten, verabreicht oder sonstiges.
Ich konnte noch nicht mal etwas verdächtiges beobachten. Ein Klassenkammerad, der sich gerne mal "was-rein-zog", hatte vorher so viel angegeben, was im Sound so alles abläuft.
Es lag vielleicht ein merkwürdiger Duft in der Luft , aber sonst? Ich gehe mal davon aus, das nur der Eingeweihte wusste, an wen er sich wenden muß.
Nach den Vorwarnungen, die ich von vielen gehört hatte, war mein Besuch im Sound eher unspektakulär.
Ehrlich gesagt ging in den Normalo-Diskos eher die Post ab. Da wurden auf den Toiletten verbotene Sachen verschoben und auf sein Glas Cola musste man immer aufpassen. Somit waren eher die Popper Diskos wie „Eden“, „Big Eden“, „Cheeta“ usw., für das „*Landei" gefährlicher.
*(Landei = Westdeutscher Urlauber)
Ähnliche Wohnviertel und s.g. Löffelkinder gab es auch anderswo in Berlin. Nur die sind nicht so in die Schlagzeilen geraten.
Nun zum Film:
Ich, der nie etwas mit Drogen zu tun hatte, fand den Film alles andere als "abschreckend". Nein, eigentlich das ganze Gegenteil. Den Zusammenhalt und das Verständnis miteinander, fand ich eher beeindruckend.
Wenn man sich mit echten Junkies unterhält, dann wird eigentlich schnell klar, das diese Darstellung des Films „Hochglanz Kinotauglich“ gemacht wurde. Ich hatte mal das seltene Vergnügen, einen Jungen kennen zu lernen, der als Randperson in der Geschichte von Christian erwähnt wurde. Ich weiß bis heute nicht, ob er mich angeflunkert hat, oder ob es die Wahrheit war. Zumindest waren seine eigenen Erfahrungen in dieser Drogenszene, nicht mal ansatzweise in diesem Film zu sehen.
Der heutige Berlin Besucher wird an den original Schauplätzen kaum etwas sehen, was ansatzweise mit der damaligen Zeit zu tun hat. Das bedeutet aber nicht, das Berlin jetzt eine saubere Vorzeigestadt ist. Die Probleme wurden nicht beseitigt , sondern nur des Platzes verwiesen. Finden tut man sie jetzt in anderen Bezirken.
Das letzte, was ich von Christiane F. gehört habe, wurde hier schon erwähnt. Sie ist wieder rückfällig geworden. Warum das so gekommen ist, bedarf einer langen Aufschlüsselung von gegebenen Ereignissen und der Bereitschaft der Normalos, eine andere Welt zu akzeptieren und auch damit umzugehen.
Zur Erklärung: Ich weiß nicht, wer von euch schon einen geliebten Menschen verloren hat. Bei mir war es mein großartiger Schwager, der kleine Bruder meiner Frau und der geliebte Onkel meiner Kinder.
Wer kennt dann nicht die Standardsprüche wie: Ja, das Leben geht weiter.
Das wird schon wieder. Sei stark. Mein herzliches Beileid usw.
Mit der eigenen Familie kann man kaum über die eigenen miesen Gefühle reden, da die selber ihren eigenen Schmerz haben. Und mit einem Fremden darüber reden hat auch keinen Sinn, weil den das eher langweilt, weil er die fehlende Person nicht kennt. Dem ist nur wichtig, das du morgen wieder zu 100% funktionierst.
Ich denke, das gerade viele Drogenabhängige rückfällig werden, weil der Außenstehende diese Art von Gemeinschaft - auch wenn es der falsche Weg ist, eher langweilig findet.
Das Ergebnis ist dann, das sich viele Drogenabhängige zum Schluss den Goldenen Schuss setzen, weil es keinen anderen Ausweg mehr gibt.
Aber, was weiß ich?
Gruß Nino
Der letzte Eintrag ist schon älter, aber wenn man jetzt erst zum Forum stößt, dann geht´s manchmal nicht schneller.
Nein, ich kenne Christiane persönlich nicht.
Ich bin 1960 in Berlin West geboren. Groß geworden bin ich damals in Friedenau/Schöneberg, was jetzt irgendwie zu Steglitz gehört. Zu der Zeit hatte West Berlin, ca. 4 Millionen Einwohner und die hälfte davon waren Ausländer. Die hälfte davon waren Türken, somit setzte sich der Rest aus allen Landsleuten zusammen, die es halt so gibt. Obwohl ich selber mit Ausländern kein Problem hatte, so waren mir persönlich die Pakistani eher unheimlich. Von denen wusste man eigentlich nur so viel: Wenn sie nicht in einer Frittenbude arbeiten, dann lieferten sie sich Nachts Schiessereien in der Potsdamer Strasse. (das dürfte aber mein persönliches Vorurteil sein.)
Natürlich gab es damals, wie heute auch die "Otto-Normal-Bürger" und die "Abtrünnigen".
Und natürlich wurde auch damals vieles dramatisiert.
Z.B. waren meine Eltern davon überzeugt, das jeder Motorradfahrer ein Rocker ist und jeder Rocker somit ein kriminelles Subjekt. Zu der Zeit kannte man (z.B. Hells Angels vom Namen nach) einige Motorradgangs, aber sicherlich war nicht jeder automatisch in einer kriminellen Vereinigung.
Das gleiche gilt auch für die nachfolgenden Punkten, die sich so eingebürgert haben, bzw. miteinander verbunden wurden.
*Nur Drogenabhängige und Dealer findet man im Sound.
* Potsdammer Strasse ist ein einziger Strassenstrich. Man beachte bitte, das sich in der Potsdamer Strasse ein Jugendtreff befand, wo ich auch eine zeit lang regelmäßig war. Natürlich gab es da Läden, wo die Schaufenster verdunkelt waren. Nutten habe ich aber nicht wirklich welche gesehen. (oder aber nicht als solche erkannt.)
*Kreuzberg ist da, wo der Abschaum wohnt. (Ausländer, Studenten, Hausbesetzer, Terroristen.)
*Babystrich, Stricher und Drogenumschlagsplatz am Bahnhof Zoo.
Bis auf´s Sound, bin ich oft und regelmäßig überall an diesen verruchten Orten gewesen und habe es unbeschadet überlebt. Ich weiß nicht, wann das "Bösen" auf die Strasse gekommen sind, aber irgendwie habe ich die immer verpasst. Soviel ich weiß, haben sich die Bösen eher hinter dem Bahnhof Zoo rumgetrieben und Ottonormalverbraucher wird das kaum wahr genommen haben, es sei denn das der Spruch doch stimmt: "Nur ein Kiffer erkennt einen anderen Kiffer."
Ich war einmal im Sound, ca. 18 Jahre und mir wurde Nichts angeboten, verabreicht oder sonstiges.
Ich konnte noch nicht mal etwas verdächtiges beobachten. Ein Klassenkammerad, der sich gerne mal "was-rein-zog", hatte vorher so viel angegeben, was im Sound so alles abläuft.
Es lag vielleicht ein merkwürdiger Duft in der Luft , aber sonst? Ich gehe mal davon aus, das nur der Eingeweihte wusste, an wen er sich wenden muß.
Nach den Vorwarnungen, die ich von vielen gehört hatte, war mein Besuch im Sound eher unspektakulär.
Ehrlich gesagt ging in den Normalo-Diskos eher die Post ab. Da wurden auf den Toiletten verbotene Sachen verschoben und auf sein Glas Cola musste man immer aufpassen. Somit waren eher die Popper Diskos wie „Eden“, „Big Eden“, „Cheeta“ usw., für das „*Landei" gefährlicher.
*(Landei = Westdeutscher Urlauber)
Ähnliche Wohnviertel und s.g. Löffelkinder gab es auch anderswo in Berlin. Nur die sind nicht so in die Schlagzeilen geraten.
Nun zum Film:
Ich, der nie etwas mit Drogen zu tun hatte, fand den Film alles andere als "abschreckend". Nein, eigentlich das ganze Gegenteil. Den Zusammenhalt und das Verständnis miteinander, fand ich eher beeindruckend.
Wenn man sich mit echten Junkies unterhält, dann wird eigentlich schnell klar, das diese Darstellung des Films „Hochglanz Kinotauglich“ gemacht wurde. Ich hatte mal das seltene Vergnügen, einen Jungen kennen zu lernen, der als Randperson in der Geschichte von Christian erwähnt wurde. Ich weiß bis heute nicht, ob er mich angeflunkert hat, oder ob es die Wahrheit war. Zumindest waren seine eigenen Erfahrungen in dieser Drogenszene, nicht mal ansatzweise in diesem Film zu sehen.
Der heutige Berlin Besucher wird an den original Schauplätzen kaum etwas sehen, was ansatzweise mit der damaligen Zeit zu tun hat. Das bedeutet aber nicht, das Berlin jetzt eine saubere Vorzeigestadt ist. Die Probleme wurden nicht beseitigt , sondern nur des Platzes verwiesen. Finden tut man sie jetzt in anderen Bezirken.
Das letzte, was ich von Christiane F. gehört habe, wurde hier schon erwähnt. Sie ist wieder rückfällig geworden. Warum das so gekommen ist, bedarf einer langen Aufschlüsselung von gegebenen Ereignissen und der Bereitschaft der Normalos, eine andere Welt zu akzeptieren und auch damit umzugehen.
Zur Erklärung: Ich weiß nicht, wer von euch schon einen geliebten Menschen verloren hat. Bei mir war es mein großartiger Schwager, der kleine Bruder meiner Frau und der geliebte Onkel meiner Kinder.
Wer kennt dann nicht die Standardsprüche wie: Ja, das Leben geht weiter.
Das wird schon wieder. Sei stark. Mein herzliches Beileid usw.
Mit der eigenen Familie kann man kaum über die eigenen miesen Gefühle reden, da die selber ihren eigenen Schmerz haben. Und mit einem Fremden darüber reden hat auch keinen Sinn, weil den das eher langweilt, weil er die fehlende Person nicht kennt. Dem ist nur wichtig, das du morgen wieder zu 100% funktionierst.
Ich denke, das gerade viele Drogenabhängige rückfällig werden, weil der Außenstehende diese Art von Gemeinschaft - auch wenn es der falsche Weg ist, eher langweilig findet.
Das Ergebnis ist dann, das sich viele Drogenabhängige zum Schluss den Goldenen Schuss setzen, weil es keinen anderen Ausweg mehr gibt.
Aber, was weiß ich?
Gruß Nino