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von Thomas Ray Dolby » Mi Okt 05, 2016 11:36 pm
Meine Einschulung 1982 – und die Zeit danach – war dominiert von Plastik-Bombastik.
Die Mehrheit der Ranzen zu meiner Einschulung waren Scouts. Die Jungs hatten den blauen Marine, die Mädchen den roten Alpine. Nur drei Abtrünnige in meiner Klasse, darunter ich, hatten einen Amigo. Möglicherweise flog dazwischen auch das eine oder andere Modell anderer Fabrikate wie McNeill (die ihr Logo damals auch auf Sanyo-Solartaschenrechnern parken durften). Aber Scout stellte bei weitem die Mehrheit, und Stoff oder Leder trug mein Jahrgang damals überhaupt nicht.
Was damals natürlich Serious Business war: die zum Ranzen passende Federtasche. Als ABC-Schütze hatte man meist nur einen Eindecker und schielte neidisch auf die größeren Modelle mit zwei Reißverschlüssen. Unglücklich war, daß Federtaschen meist nicht so lange hielten wie Ranzen, und wenn man mal wieder eine neue brauchte, gab's den Stil des Ranzens nicht mehr als Federtasche, jedenfalls nicht, wenn man einen Amigo hatte.
Übrigens waren uns die zylindrischen Schlampermäppchen in der Grundschule untersagt. Auf dem Gymnasium stellten wir schnell fest, daß das da keinen juckte, worin man seine Stifte aufbewahrte. Viele stiegen alsbald um auf Schlampermäppchen, und weil buntes Plastik im Zeitalter des „Blauen Engels“ inzwischen so out war wie chlorgebleichtes Papier, nahm man solche aus Schweinsleder. Die ließen sich auch besser vollkritzeln bzw. von der ganzen Klasse signieren. Ich stand dazwischen; ich habe heute noch meine doppelstöckige, „unbeschriebene“ Federtasche aus Leder.
Entsprechend stiegen nicht wenige damals um auf Schultaschen aus Leder, besonders unter den Mädchen. Wer eher linksalternativ orientiert war, wählte sogar noch eher den einfachen Rucksack mit Kordelzug. Unter uns wenigen Jungs in der Klasse breitete sich dagegen der Aktenkoffer aus: Einer meiner Klassenkameraden hatte einen klassischen aus schwarzem Leder mit Messingverschlüssen und Zahlenschlössern, zwei weitere hatten einen Samsonite mit Zylinderschlössern. Der dritte Samsonite-User – direkt vom letzten Amigo aufgestiegen – war ich. Umdekoriert wurden die Koffer nicht, Monogramm am Samsonite mit den beiliegenden Buchstabenaufklebern mußte aber sein.
Eigentlich war es nicht einmal schwierig, die eigenen Eltern von den Vorzügen eines gut hundert Mark teuren Hartschalenkoffers zu überzeugen: Sie mußten nur daran denken, daß der letzte Ranzen wieder nur an die drei Jahre gehalten hat. Derweil wurden Samsonites im Fernsehen als unkaputtbar beworben. Die nächste „Schultasche“ könnte also die letzte werden, egal, wie lange der Nachwuchs noch zur Schule gehen wird. Die Kunststoffschalen der Samsonites waren ja auch langlebig. Nicht kratzfest, aber sonst langlebig. Die Achillesferse der Samsonites der 80er und frühen 90er waren die Riegel aus Druckguß. Wenn davon einer brach, und das taten sie gern, konnte man den Koffer vergessen. Später kam zum Stabilisieren eine Kunststoffkappe drüber.
Das Fassungsvermögen sogar der dünnen Samsonites (es gab sie ja in zwei Stärken) war beachtlich. Neben gelegentlichen Schulheften, dem in späteren Jahren (hier sind wir schon in den 90ern) obligatorischen Collegeblock für alles Mögliche, der dem einen oder anderen fachspezifischen Schnellhefter, der Federtasche, der gesonderten Tasche für den Lamy (auch wenn ich vom Füller mehr und mehr auf den Fineliner umstieg) und den immer weniger zu werden scheinenden Büchern paßte da unter anderen immer noch ein Walkman und ein Behältnis mit Kassetten mit rein sowie gelegentliche Zeitschriften für Freistunden und sonstige langweilige Abschnitte.
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Thomas Ray Dolby am Do Jan 01, 1970 1:00 am, insgesamt 0-mal geändert.
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