Christiane F. / (harte) Drogenszene in der DDR

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bubu
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Ich habe vor kurzem das allererste Mal den Film "Christiane F. - Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" gesehen und verstehe jetzt, warum mich in den 80ern jeder davor gewarnt hatte. Nicht, weil er schlecht ist - ganz im Gegenteil, ich fand' ihn einfach den Hammer - sondern, weil er wirklich sehr bedrückend ist. Ich kann nur sagen - besser so, denn mit 14/15/16 Jahren hätte mich sowas wahrscheinlich ziemlich fertig gemacht.

Ich habe dann ein wenig über das Schicksal der wahren Christiane F. recherchiert - sie hat das Ganze ja überlebt, wohnt noch immer in Berlin und hat einen kleinen Sohn. Bin nun sehr gespannt auf das Buch, das ich mir auch gekauft habe.

Der Film zeigt ein sehr düsteres West-Berlin. Man bekommt den Eindruck, dass Ende der 70er Fixen sehr verbreitet war unter den Jugendlichen - so wie heute vielleicht Ecstasy und andere Drogen. Ich kann mich noch dunkel daran erinnern, dass Heroin und Fixen sehr viel in der Presse war Anfang der 80er. Auch in Frankfurt a.M., wo ich ja in der Nähe aufwuchs, hatte einen ziemlich schlechten Ruf in Sachen Junkie-Szene. Mir war aber damals nicht so bewusst, dass Fixen so weit verbreitet war. Aber ich bin damit auch nie direkt in Kontakt gekommen. Ich habe in einer Filmkritik gelesen, dass West-Berlin damals auch tatsächlich ein schwieriger/trostloser Ort gewesen sein soll. Kann das jemand bestätigen?

Mich würde interessieren, wie ihr den Film / das Buch empfunden habt. Er muss ja damals eine Schockwelle ausgelöst haben. In einer Unterhaltung mit einem Freund kam auch die Frage auf, wie das Ganze im Ostteil der Stadt bzw. in der DDR gesehen wurde. Und ob es dort auch Junkies gab und wenn ja, wie damit umgegangen wurde. Wurde das totgeschwiegen, oder gab es irgend eine Form der Aufklärung? Kamen (harte) Drogen überhaupt rein in die DDR? Wie?
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Babooshka
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Warst du auf dieser Seite hier? http://www.wir-kinder-vom-bahnhof-zoo-photos.de/

Ich habe 1979, also mit 14 Jahren das Buch gelesen. Zuvor wurden einige Ausschnitte daraus im Bio-Unterricht behandelt, als es um Drogen ging. Über das Buch heißt es heute noch: Entweder es schreckt völlig ab, oder es fasziniert und der eine oder andere Leser probiert dann auch mal H. Bei mir war es ersteres. Ich hätte damals im Leben keine einzige Droge angefasst, habe dies auch nicht getan und beabsichtige auch nicht, es zu tun. Das Buch hat sicher einen Teil dazu beigetragen, meine Antimeinung, die ich vorher schon hatte, noch zu unterstreichen.

Den Film habe ich dann Anfang der 80-er gesehen, ungefähr zu dem Zeitpunkt, als er rauskam. Aber er hat mich nicht sonderlich berührt, 1. weil ich das Buch kannte und weitaus schockierender fand (das finde ich heute immer noch schockierend, wenn ich bedenke, dass ein 13-jähriges Kind...) und 2. weil das Berlin, was da gezeigt wurde, ja die Stadt war, in der ich lebte und sie mir insofern nicht völlig unbekannt war.

Ich war in den 70-ern noch ein Kind bzw. ein sehr junger Teenie, so kam ich nicht allzu oft aus meinem Bezirk raus (Spandau). Das ist recht Berlin-typisch; die Jugendlichen bleiben zumindest bis zu einem bestimmten Alter weitgehend in ihren Bezirken, und wenn man nicht gerade zentral wohnt, dann kennt man das Zentrum erst einmal nicht. Dementsprechend bekam ich auch von der Trostlosigkeit nicht allzu viel mit, es sei denn, ich war mit meiner Mutter irgendwo in der Stadt unterwegs. Im Übrigen empfand und empfinde ich Berlin nur im Winter als wirklich trostlos. Damals mit der Mauer war das noch was anderes, darunter litt ich in gewisser Weise schon, weshalb ich 1986 ja auch nach München gezogen bin. Es gab einige Orte entlang der Mauer, wo man wirklich Beklemmungen bekam, eben vor allem im Winter.

Jedoch, an der Trostlosigkeit muss etwas dran gewesen sein. So gegen 1977 wohnte David Bowie in Berlin-Schöneberg und diese Zeit hört man wohl auch aus seiner Musik jener Zeit raus - siehe Luftgitarres Sound-Thread (ich selber kenne mich mit der Musik, die Bowie damals gemacht hat, nicht gut genug aus, um dazu was sagen zu können). Und ja, das Fixerproblem war enorm damals. Zum einen mag das noch ein Ausläufer der Hippiezeit gewesen sein, in der Drogen verherrlicht und als vollkommen harmlos dargestellt wurden. Zum anderen denke ich, hat es einiges an sozialen Problemen gegeben, wovon ich aber nichts Genaues weiß, denn wie gesagt, ich war damals noch sehr jung. Wenn ich auch selber selten Fixer gesehen habe, eben weil ich nicht so oft ins Zentrum kam, so bekam ich doch so einiges mit. Am Wochenende waren wir oft bei meinen Großeltern und ich las dann meistens die Tageszeitungen der vergangenen Woche. Es gab mehrseitige Drogenszeneberichte, Berichte über jugendliche Fixer (die teilweise auch in dem Bahnhof Zoo-Buch vorkamen) und fast jeden Tag stand mindestens eine Nachricht über einen Drogentoten drin.

Der Bahnhof Zoo selber war auf jeden Fall einer der abstoßendsten Orte der Stadt. Jedes Wort, was Christiane in dem Buch darüber erzählte, war wahr. Man muss sich vorstellen, der Bahnhof gehörte damals aus irgendwelchen Gründen noch irgendwie zur DDR, so ganz genau kann ich es nicht sagen, wie da die Verhältnisse waren. Jedenfalls durfte die Stadt Berlin nichts daran machen, weil der Bahnhof ihr irgendwie nicht gehörte. Und so war er völlig heruntergekommen, dreckig, schmuddelig, abstoßend, eben ein Treffpunkt für Fixer, Penner und Freier. Ich war ja ab Ende der 70-er oft dort, Austausschüler aus Frankreich abholen oder selber nach Frankreich fahren und ich fand den Ort einfach grauenhaft. Erst etliche Jahre später, wohl aber noch vor der Wiedervereinigung, gab es die Genehmigung, den Bahnhof sanieren zu dürfen. Das wurde gemacht und seitdem sieht er gut aus. Penner und anderes komisches Volk gibt's dort immer noch, aber meistens vor der Tür. Ich glaube, das Wachpersonal wurde drinnen verstärkt, weil natürlich keiner will, dass da Fixer rumhängen. Jedoch soll es den Jungenstrich hinter dem Bahnhof in der Jebenstr. noch geben.

Auch heute lebt Berlins Drogenszene noch. Ab und zu fahre ich mit Auto durch die Bülowstr., sozusagen eine Parallelstraße zur Kurfürstenstr., wo schon immer der Autostrich war. In der Bülowstr. stehen quasi zu jeder Tages- und Nachtzeit junge Mädchen und bieten sich an.

Christiane F. selber ist irgendwie in all den Jahren nie richtig clean geworden. Sie war es immer mal für eine Zeitlang, aber auch außerhalb von Berlin schien sie solche Leute anzuziehen, die irgendwas mit Drogen zu tun hatten. So hat es wohl in ihrem Leben einige Rückfälle gegeben und sie ist jetzt im Methadonprogramm, weil sie einen kleinen Sohn von inzwischen ca. 7 Jahren hat, mit dem sie in bescheidenen Verhältnissen wieder in Berlin lebt. Ihre Drogensucht ist offensichtlich sehr tief in ihr verwurzelt, denn sie hat ja auch extrem früh damit angefangen. Als ich damals das Buch las und dann zum Ende kam, da dachte ich: Wie können die sagen, sie sei von den Drogen los, sie IST ja gar nicht von den Drogen los. Einige Zeit nach ihrer von der Mutter veranlassten "Ausweisung" aus Berlin kam sie in eine Clique, in der munter gekifft und Pillen geschmissen wurde. Für mich war das nicht "clean".
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Sparks
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Vor zwei Tagen war ich das letzte Mal im Bahnhof Zoo und ich habe mich tatsächlich gefragt, wie es wohl damals dort war. gelesen gehört und gesehen hat man doch auch einiges. Heute erinnert dort gar nichts mehr daran.
Bis wohl Mitte der 80er Jahre gehörte wohl alles was die Bahnstrecken Bahnhöfe und S-Bahn in Westberlin anging der Deutschen Reichsbahn und damit sozusagen irgendwie der DDR. Aber ich bin kein Bahnexperte.
Harte Drogen gab es in der DDR nicht. Dafür aber auch andere kaputte Typen.
Ich überlege ganz krampfhaft, wo ich letztens etwas zu diesem Thema gelesen habe. Ein wenig kann man vielleicht in dem Buch "Bye Bye Lübben City" (Schwarzkopf und Schwarzkopf Verlag 2004 Herausgeber Michael Rauhut und Thomas Kochan) erahnen wie es in den "düsteren Ecken " der DDR aussah.
Nina Hagen hat auch sicherlich zu dem Thema einiges gesagt.
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Muggi
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Zum Thema Drogenmißbrauch in der DDR: Harte Drogen gab es wohl keine, jedenfalls ist mir kein einziger Fall bekannt. Droge Nummer Eins war der Alkohol, der trotz Mangelwirtschaft überall und billig zu haben war. Tablettenmißbrauch hat es auch gegeben, daneben kursierten immer wieder Gerüchte von selbstgebastelten Drogenmischungen, z.B. hörte ich gelegentlich von einem Cocktail aus SPEE (das Waschmittel), Schnaps und Cola. Ob da was dran ist, weiß ich allerdngs auch nicht.

In Ost-Berlin war es wohl durch die Nähe zum "Westen" möglich, an Haschisch und Marihuana zu kommen, jedenfalls erzählte mir in meiner Lehre einer aus Berlin diesbezügliche Geschichten. Und Toni Krahl, der Sänger von City, gab in einer Ostrock-Doku auch zum Besten, auf seinem Balkon ein paar Hanfpflanzen angebaut zu haben.
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Torsten
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[quote]bubu postete
Mich würde interessieren, wie ihr den Film / das Buch empfunden habt.[/quote]Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich mir bis heute weder Film noch Buch zu Gemüte geführt habe. [img]http://smilies.myioff.net/schaem.gif[/img]

Werde es aber irgendwann nachholen, so viel ist sicher... :rolleyes:
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Kinderfresser

[quote]bubu postete
Mich würde interessieren, wie ihr den Film / das Buch empfunden habt. [/quote]Ich hab den Film Mitte oder Ende der 80er mal gesehen, war damals aber definitiv zu jung (bin ja erst Mitte der 70er geboren), um überhaupt zu begreifen worum es in dem Film geht.
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waschbaer
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Ich habe das Buch in den 80ern als Schullektüre gelesen und wollte daraufhin unbedingt direkt nach der Lektüre nach Berlin. Allerdings ging es mir da nicht darum, selber irgendwie Drogen oder ähnliches auszuprobieren, sondern eher um ein gewisses "voyeurhaftes Verhalten meinerseits", so dass ich einfach wissen wollte, wie dieser onimöse Bahnhof Zoo den in Echt aussieht.

Auch den Film habe ich in jungen Jahren gesehen und war sowohl fasziniert, wie angeekelt davon. Das Geilste fand ich aber damals, wie heute die Bowie Szenen.
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bubu
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[quote]Babooshka postete
Warst du auf dieser Seite hier? http://www.wir-kinder-vom-bahnhof-zoo-photos.de/
[/quote]Ja, über diese Seite bin ich auch gestolpert. Sehr beeindruckend, mal die richtige Christiane F. zu sehen.

[quote]Babooshka postete
Ich habe 1979, also mit 14 Jahren das Buch gelesen.
[/quote]Puh, mit 13 Jahren so ein Buch zu lesen - das ist wirklich früh. Wenn ich Kinder hätte, würde ich ihnen das wahrscheinlich vor ihrem 16. Lebensjahr nicht in die Hand geben.

[quote]Babooshka postete
Zuvor wurden einige Ausschnitte daraus im Bio-Unterricht behandelt, als es um Drogen ging.[/quote][quote]Waschbär postete
Ich habe das Buch in den 80ern als Schullektüre gelesen
[/quote]Interessant - bei uns wurde das Buch im Unterricht nicht verwendet. Wenn auch die Lehrer nicht umhin kamen, das medienpräsente Thema "Christiane F." öfters anzusprechen.

Übrigens ist mir noch eingefallen, dass neben Heroinsucht Sekten ein ganz großes Jugendthema waren und vor allem in der Schule davor immer wieder gewarnt wurde. Auch in Jugendbüchern hielt das natürlich Einzug: mir ist wieder eingefallen, dass ich über TKKG-Bücher sowohl mit Heroinsucht als auch mit Sekten konfrontiert wurde.

Ansonsten - vielen Dank für deinen ausführlichen Bericht, Babooshka! Hat mich wieder neugierig auf den Bahnhof Zoo gemacht. Ich bin da immer recht unbekümmert da durch gelaufen. Bei meinem nächsten Berlin-Besuch werde ich mich mal etwas genauer umsehen und versuchen die Orte aus dem Buch aufzuspüren. Übrigens möchte ich mir dann auch mal das "Sound" anschauen. Warst du dort mal? Wie ist es da heute? Würde mich ja mal interessieren, was das Buch/der Film für einen Einfluss auf die Besucherschaft der Disko hatte. Im Film gibt es am Ende einen Vermerk, dass das "Sound" heutzutage - also 1982 - nicht mehr den Verhältnissen entspricht wie im Buch beschrieben. Demzufolge muss dort ja einiges passiert sein. Und die "Gropiusstadt" werde ich mir nach Möglichkeit auch mal anschauen... falls es sie noch gibt.
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KaiEi
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...und für die Leute, die es interessiert: Christiane Felscherinow (so heißt sie richtig) hat früher sogar Musik gemacht. Als Christiana wurde 1982 die 12" "Final church" veröffentlicht, als Christiane F. gab es die 12" "Gesundheit", die 1982 allerdings nur kurz in den USA zu bekommen war. Mitwirkende Musiker waren u.a. FM Einheit und Alexander von Borsig, die damals bei den Einstürzenden Neubauten waren.

KaiEi
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bubu
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Und folgendes habe ich bei Wikipedia gelesen:

[quote]
Christiane nahm auf eine USA-Reise mehrere Musikstücke mit, darunter auch von der Band Nena. Das Lied 99 Luftballons gelangt auf diese Weise durch Zufall an einen Radiomoderator, der es in den USA spielt. Eine Weltkarriere wird so begründet.
[/quote]Irgendwie kann ich das nicht so recht glauben. Weiß jemand mehr?
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