Die am meisten überschätzten Filme

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Torsten
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[QUOTE=BigDaddy0297;287267]
und um dem Ganzen noch die Krönung aufzusetzen, der jetzt erschienene "Serbian Film", der selbst mich als hartgesottenen Genre-Alrounder, geschockt hat.[/QUOTE]
Nach dem, was ich davon weiß, ist das ein ähnlich einfältiger und gehypter Dreck wie "Martyrs", den ich mir der Neugier halber mal angesehen habe. "Eden Lake" hat wenigstens noch einen Hauch Sozialkritik und erinnert in seiner Atmosphäre tatsächlich an "Funny Games". Allerdings schockte der damals ungleich mehr, weil da noch nicht die Flut von Folter- und Realhorrorstreifen ausgebrochen war, die sich seit einigen Jahren um den Titel des jetzt aber ultimativ härtesten Schockers kloppen.

Hatte kürzlich mal aus reiner Neugier in Erwägung gezogen, mir das ungeschnittene Remake von "I Spit On Your Grave" anzuschauen. Nachdem ich mir mal den Artikel auf "schnittberichte.com" dazu angesehen habe, werde ich aber wohl drauf verzichten. Frage mich sowieso, wozu derartige Gewaltorgien taugen sollen außer dem Anfeuern von entsprechenden Phantasien bei gestörten Persönlichkeiten ...
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bubu
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[QUOTE=Torsten;287266] Die Erklärung für Platz 1 der IMDB liegt wohl eher darin, dass er mit dem urmenschlichen Wunsch nach Freiheit und Gerechtigkeit spielt. Und dabei von einer überzeugenden Besetzung und der melancholischen Atmosphäre getragen wird (allein beim Kapitel "Brooks was here" bekomme ich jedes Mal einen Frosch im Hals). Entscheidend für die Abstimmungen bei einer Zuschauerumfrage wie der IMDB ist ja letztlich, wie sehr der jeweilige Film auf emotionaler Ebene anspricht - unabhängig von Aspekten wie Bedeutung oder Qualität der Inszenierung.[/QUOTE]

Das sind einleuchtende Gründe, dennoch - so richtig erklärt das den Spitzenplatz immer noch nicht. Wunsch nach Freiheit und Gerechtigkeit - da liegt "Einer flog übers Kuckucksnest" um Längen vorne. Melancholische Atmosphäre, überzeugende Besetzung hat man beim "Paten" um Klassen besser. Oder auch bei "Million Dollar Baby" (Platz 148!), ebenfalls mit Morgan Freeman und seiner beeindruckenden Erzählstimme im Off.

Emotionalität ist, das denke ich auch, ein entscheidender Faktor bei solchen "Volksabstimmungen". Aber auch da habe ich "Shawshank" nicht also sooo anrührend empfunden. "Stand By Me", eine weitere Verfilmung aus dem "Jahreszeiten"-Zyklus, hat mich da weitaus mehr berührt (Platz 175!).

Vielleicht liegt es daran, dass die Geschichte ja ein wenig eine moderne Version von Der Graf von Monte Christo ist, und somit den meisten Menschen im Kern schon vertraut. Nur mit dem entscheidenden Unterschied – und hier kommt das Emotionen-Argument sicher zum Tragen –, dass "Shawshank" ein Happy End hat.

Nochmal zur gefühlten Wahrnehmung: Ich habe oft erlebt, dass, wenn ich Leute nach ihren Top 10 o.ä. fragte, oft eine Mixtur aus Kritiker-Klassikern kam, für die Citizen Kane in der Tat prototypisch ist, und Publikumsklassikern, die sehr erfolgreich waren und noch im Gedächtnis kleben, wie z.B. "Sieben" oder "Inception". Wenn ich dann nachfragte, wie denn "Shawshank" gefiel, kam fast immer - "Ach ja, stimmt. Das war auch ein richtig guter Film..."

Das ist es eben – von den wirklichen Klassikern des Films gibt es doch meistens eine oder mehrere Einstellungen, die sich ins kollektive Gedächtnis gebrannt haben, mit der jeder sofort etwas anzufangen weiß. Das mag der mit watteausgestopften Backen, im Halbdunkel sitzende Marlon Brando sein, der den Finger hebt. Das ist das diabolische Grinsen Jack Nicholsons, der gerade die Tür mit der Axt eingeschlagen hat. Die lasziv auf dem Bett rauchende Uma Thurman oder der afrolockenbekopfte Samuel Jackson mit 45er in der Hand. Der mit Strickmützchen bekleidete Jack Nichsolson. Der kahlgeschorene Schädel von Marlon Brando als verrückter General Kurtz. Die mit schweren Maschinengewehren und Patronengürteln behängte Sigourney Weaver. Von "Die Verurteilten" gibt es so ein Bild nicht.
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Torsten
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[QUOTE=bubu;287273]Das sind einleuchtende Gründe, dennoch - so richtig erklärt das den Spitzenplatz immer noch nicht.[/QUOTE]
Um mal auf deine Beispiele einzugehen:

- "Einer flog über das Kuckucksnest": Da dürfte einigen das besonders deprimierende Umfeld nicht gefallen, zumal die Identifikation mit geistig Behinderten vielen wohl auch schwerer fällt als mit Gefängnisinsassen. Und hätte Nicholson da nicht so mitreißend aufgespielt, wäre der Film trotz seiner anderen guten Zutaten (Louise Fletcher!) wohl deutlich weniger beliebt.

- "Der Pate": Diese epische Erzählweise ist bekanntlich nicht jedermanns Sache. Kürzlich bei einem guten Freund erlebt, der die Trilogie noch nicht kannte, aber Fan von Streifen wie "Good Fellas" oder "Casino" ist. "Der Pate" dagegen ist ihm viel zu langatmig.

- "Million Dollar Baby": Abgesehen davon, dass da sicher schon manche während der ersten Hälfte abgeschaltet haben - weil sie's für 'ne weibliche "Rocky"-Variante hielten -, ist die drastische Wendung für einige andere dann vielleicht zu viel des Dramas. Schicksalsschlag ist nicht gleich Schicksalsschlag - und der Knast ein aufregenderes Umfeld als ein Krankenbett.

[QUOTE=bubu;287273]Nur mit dem entscheidenden Unterschied, – und hier kommt das Emotionen-Argument sicher zum Tragen – dass "Shawshank" ein Happy End hat.[/QUOTE]
Happy Ends sind der Massenverträglichkeit (leider) immer zuträglich. Den Einwand, dass man sich von einem Film (oder von Kunstwerken im Allgemeinen) unterhalten und nicht runterziehen lassen will, haste ja sicher auch schon öfter gehört.

"Die Verurteilten" trifft offenbar so gut wie kein anderer Titel den gemeinsamen Nenner eines Großteils des Publikums. Andere Filme sind in einzelnen Aspekten besser, die aber nicht von allen so geschätzt werden.

[QUOTE=bubu;287273]
Nochmal zur gefühlten Wahrnehmung: Ich habe oft erlebt, dass, wenn ich Leute nach ihren Top 10 o.ä. fragte, oft eine Mixtur aus Kritiker-Klassikern kam, für die Citizen Kane in der Tat prototypisch ist und Publikumsklassikern, die sehr erfolgreich waren, und noch im Gedächtnis kleben, wie z.B. "Sieben" oder "Inception". Wenn ich dann nachfragte, wie denn "Shawshank" gefiel, kam fast immer - "Ach ja, stimmt. Das war auch ein richtig guter Film..."[/QUOTE]
Nach meiner Erfahrung sind es aber auch solche Klassiker, die deutlich öfter polarisieren als eine konventionelle Geschichte wie "Die Verurteilten" - man denke nur an "Pulp Fiction", daran scheiden sich die Geister immer wieder. "Inception" oder "Matrix" halte ich für selbstgefälligen Käse; damit bin ich zwar in einer Minderheit, die aber offenbar immer noch größer ist als die Masse derjenigen, die Darabonts Knastfilm doof finden.

Und irgendwie ist es doch auch sympathisch, dass die IMDB-Liste von einem Film angeführt wird, der an den Kinokassen damals ziemlich floppte und erst per TV/VHS/DVD zum Publikumsliebling wurde ... ;)
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bubu
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[QUOTE=Torsten;287274]Und irgendwie ist es doch auch sympathisch, dass die IMDB-Liste von einem Film angeführt wird, der an den Kinokassen damals ziemlich floppte und erst per TV/VHS/DVD zum Publikumsliebling wurde ... ;)[/QUOTE]

Erstaunlich ist es auf jeden Fall. Ob ich das sympathisch finde, weiß ich noch nicht so recht. Irgendwie entwertet das auch den "Paten". Um mal wegzukommen von dem VW-Polo-Auto-Bild – warum werden eigentlich immer so oft Vergleiche aus der Fußball- oder Autowelt bemüht, um Leuten was klar zu machen? –, es ist für meine Begriffe schon in Ordnung, wenn ein nicht-polarisierender Film diese Hitliste anführt, sondern einer, der Publikum und Kritiker vereint. In der Musik wären das z.B. die Beatles. Aber das glanzlose "Shawshank" hat einfach nicht diese Größe, das gehört da nicht hin.
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Torsten
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[QUOTE=bubu;287276]Aber das glanzlose "Shawshank" hat einfach nicht diese Größe, das gehört da nicht hin.[/QUOTE]
Aus meiner Sicht verständlicher als ein Stuss wie "Inception" auf der 9 oder ein grandioses Werk wie "Der unsichtbare Dritte" auf 'nem schlappen 39. Platz. :nixweiss:

[QUOTE=bubu;287276]Irgendwie entwertet das auch den "Paten".[/QUOTE]
Ach, das haben "Die Sopranos" noch viel überzeugender geschafft ... ;)

In diesem Zusammenhang kommt mir übrigens noch der Gedanke, dass es für die allgemeine Beliebtheit wohl auch nicht unerheblich ist, wie gut ein Werk bei beiden Geschlechtern ankommt. "Der Pate" und "Die Sopranos" sind ein brauchbarer Vergleich: Während das Filmepos trotz Charakterdrama-Elementen immer noch mehr die klassische Gangsterthematik verkörpert und Frauen deshalb oft nicht besonders fasziniert, ist die Serie auch beim Weibsvolk auffällig beliebt - als ich vor einigen Jahren zu einem "Sopranos"-Abend im Düsseldorfer UCI war, saßen im 300-Plätze-Saal inklusive mir gerade mal 14 Leute, davon acht Frauen. Ist ja letztlich ein als Mafia-Geschichte getarntes Familiendrama, das seine Figuren so tief und komplex wie wohl keine andere Film-/TV-Produktion ausleuchtet; und das kommt bei Frauen, denen ja durchschnittlich eine höhere Empathie zugesprochen wird, deutlich besser an.

Filmklassiker wie "Der Pate", "Pulp Fiction" oder "Alien" sehe ich dagegen eher als klassisches Männerkino. "Die Verurteilten" ist zwar die Geschichte einer Männerfreundschaft, aber aus charakterdramatischer Sicht eher geschlechtsneutral. Das passt zumindest auch zu den Erfahrungen, die ich in meinem Umfeld bei diesen Filmen gemacht habe.
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bubu
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[QUOTE=Torsten;287277]Ist ja letztlich ein als Mafia-Geschichte getarntes Familiendrama, das seine Figuren so tief und komplex wie wohl keine andere Film-/TV-Produktion ausleuchtet[/QUOTE]

Richtig. Und das war wahrscheinlich auch der Grund, warum ich mich mit "Sopranos" nicht recht anfreunden konnte. Nichts gegen solche Crossover-Serien, aber wahrscheinlich bin ich da zu sehr genregeprägt. Mafia-Satire ist interessant, aber dann bitte auch nur Satire, wie z.B. bei "Reine Nervensache". Mafia-Familienserie? Not my cup of tea.

Insofern finde ich "Pate" und "Sopranos" schwerlich vergleichbar. Der erste ist ein klassischer Genrefilm, letzteres eine TV-Serie. Überhaupt, mal eine allgemeine Anmerkung zu diesem Thread: Man muss die Filme auch in ihrem zeitgeschichtlichen Kontext sehen. Und nicht zu vergessen: Nicht nur Wissenschaftler, auch heutige Regisseure sind Zwerge auf den Schultern von Giganten. Will sagen: Film entwickelt sich weiter. Da macht man es sich vielleicht etwas zu leicht, alte Schinken wie "Vom Winde verweht" oder "2001" überschätzt zu finden.

[QUOTE=Torsten;287277]Filmklassiker wie "Der Pate", "Pulp Fiction" oder "Alien" sehe ich dagegen eher als klassisches Männerkino. "Die Verurteilten" ist zwar die Geschichte einer Männerfreundschaft, aber aus charakterdramatischer Sicht eher geschlechtsneutral.[/QUOTE]

Das mag ja sein (bei Pulp Fiction bin ich allerdings nicht Deiner Meinung, den finden auch viele Frauen gut). Aber warum landet "Der Pate" dann ebenfalls auf Platz 1, wenn ihn nach Deiner Theorie 50 Prozent der Bevölkerung wohl eher nicht ansprechend finden?
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BigDaddy0297
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[QUOTE=Torsten;287271]Nach dem, was ich davon weiß, ist das ein ähnlich einfältiger und gehypter Dreck wie "Martyrs", den ich mir der Neugier halber mal angesehen habe. "Eden Lake" hat wenigstens noch einen Hauch Sozialkritik und erinnert in seiner Atmosphäre tatsächlich an "Funny Games". Allerdings schockte der damals ungleich mehr, weil da noch nicht die Flut von Folter- und Realhorrorstreifen ausgebrochen war, die sich seit einigen Jahren um den Titel des jetzt aber ultimativ härtesten Schockers kloppen.

Hatte kürzlich mal aus reiner Neugier in Erwägung gezogen, mir das ungeschnittene Remake von "I Spit On Your Grave" anzuschauen. Nachdem ich mir mal den Artikel auf "schnittberichte.com" dazu angesehen habe, werde ich aber wohl drauf verzichten. Frage mich sowieso, wozu derartige Gewaltorgien taugen sollen außer dem Anfeuern von entsprechenden Phantasien bei gestörten Persönlichkeiten ...[/QUOTE]

"Eden Lake" hat einen Hauch von Sozialkritik...
das sehe ich ganz genau so, wenn auch vielleicht in einer anderen Richtung, als Du. Ganz besonders bei diesem Film habe ich diese Parallele "das Böse kann sich alles erlauben, solange nur genug Masse ihm den Rücken stärkt" erkannt.
In diesem Falle waren es die Kids, die sich hinter ihren liebenden Eltern, wie hinter einer unzerstörbaren Mauer, verstecken konnten. Somit wurde das Opfer zum Täter und umgekehrt.
In der Realität machen Naivität, Gier, Korruption und Angst das Gleiche möglich.

"A Serbian Film" im Vergleich zu "Martyrs"...
"Martyrs" gehört für meine Wenigkeit in die Schublade "Psycho-Horror-Splatter"-Film. Der Film wurde gehypt, wie jeder andere "normale" Schocker auch, nur damit man "neugierig" darauf wurde.
"A Serbian Film" hingegen kann eigentlich gar nicht gehypt werden, da man mit viel Werbung und großem Trara bei diesem Streifen eher das Gegenteil bewirken würde: Das "normal zu unterhaltene" Publikum würde nicht mal in die Nähe des Kinoplakats gehen, geschweige denn, sich auch nur den Trailer ansehen.
Der Film zeigt jedoch, zu welchen abartigen Schandtaten die Menschen heutzutage bereit sind, wenn nur die Kohle stimmt.

Nun noch kurz zum Thema "Fantasie bei gestörten Persönlichkeiten"...
Dieser Punkt kommt bei mir auch in eine Schublade, nämlich in "einfache, gestörte Persönlichkeiten, werden bei zu hohem Konsum von Gewaltfilmen zur Gefahr für die Öffentlichkeit"...für mich ein Mythos, der in keinerlei Hinsicht bewiesen ist. *auch wenn die Darstellung der Vorfälle in der Vergangenheit uns das glauben lassen will*

Nur, weil sich jemand Filme wie "Saw", "Death Wish" oder auch "Elephant" ansieht und von Natur aus ein eher zurückgezogenes, menschenscheues Leben führt und eine kaputte Kindheit durchlebte, muss sich diese Person nicht durch solche Filme in eine Bestie verwandeln, die morgens aufsteht und plötzlich die ganze Welt hasst.

Diese Filme, in denen Gewalt als Publikumsmagnet mit -nicht zu leugnendem- Erfolg im Vordergrund steht, "können der Auslöser" für schreckliche Taten sein. Die Fantasien, die gestörte Persönlichkeit und auch der Wunsch, den Mut für die Umsetzung dieser Fantasien aufzubringen, waren ganz sicher schon vorher da.

BigDaddy
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Torsten
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[QUOTE=bubu;287278]Nichts gegen solche Crossover-Serien, aber wahrscheinlich bin ich da zu sehr genregeprägt.[/QUOTE]
Da unterscheiden wir uns wohl. Wenn's gekonnt gemacht ist, mag ich gerade diese Verquickung, weil sie wegkommt von der letztlich doch recht eintönigen Trennung der Genres.

[QUOTE=bubu;287278]Insofern finde ich "Pate" und "Sopranos" schwerlich vergleichbar. Der erste ist ein klassischer Genrefilm, letzteres eine TV-Serie.[/QUOTE]
Ging mir ja jetzt um mögliche Geschmacksunterschiede zwischen den Geschlechtern. Allerdings kann man schon sagen, dass "Der Pate" die Mafia recht pathetisch und als einen Verein der großen Gesten zeigt; deshalb interessieren mich auch die erwähnten Genrebeiträge aus Italien, die bodenständiger inszeniert sein sollen. Wenn ich "Die Sopranos" beispielsweise in diesem Punkt besser finde als den "Paten", ist das also nicht zwangsläufig ein Unterschied, der den verschiedenen Konzeptionen (Film vs. Serie) entspringt.

[QUOTE=bubu;287278]Will sagen: Film entwickelt sich weiter. Da macht man es sich vielleicht etwas zu leicht, alte Schinken wie "Vom Winde verweht" oder "2001" überschätzt zu finden.[/QUOTE]
Meine Kritik zu "2001" bezieht sich aber nicht auf die Inszenierung, sondern auf die Sinnhaftigkeit - und das kann man bei Werken, die so existenzielle Fragen aufwerfen, heute noch genauso tun wie vor Jahrhunderten (Philosophen beschäftigen sich mit den alten Griechen ja genauso wie mit den Denkern der Moderne). Muss aber zugeben, dass ich gerade bei diesem Film immer noch nicht so recht weiß, was ich davon halten soll.

Und die Tatsache, dass Filme wie z. B. "Die 12 Geschworenen", "Der Unsichtbare Dritte", "Die Katze Auf Dem Heißen Blechdach" oder "Wer hat Angst Vor Virginia Woolf" viele Zuschauer heute noch ähnlich faszinieren wie damals, zeigt ja, dass man auch zwischen alten Filmklassikern noch differenzieren kann. Manche wirken heute drollig, verstaubt oder grotesk, andere scheinen eine zeitlose Wirkung zu haben. Okay, fairerweise muss man hier Unterschiede bei den Genres sehen - Kammerspiele und Charakterdramen haben's da naturgemäß einfacher als z. B. Action- oder Sci-Fi-Filme.

[QUOTE=bubu;287278]
Aber warum landet "Der Pate" dann ebenfalls auf Platz 1, wenn ihn nach Deiner Theorie 50 Prozent der Bevölkerung wohl eher nicht ansprechend finden?[/QUOTE]
Sind immerhin ca. 150.000 Stimmen Unterschied. Wobei ich vermute, dass die überwiegende Mehrheit der Abstimmenden männlich ist (Nerd-Verhalten), für dieses Online-Voting ist mein Gedanke wohl weniger zutreffend. Im Alltag kann ich diese Unterschiede aber schon deutlich feststellen.

[QUOTE=bubu;287278]
Mafia-Satire ist interessant, aber dann bitte auch nur Satire, wie z.B. bei "Reine Nervensache".[/QUOTE]
"Reine Nervensache" ist aber weniger Satire als Klamauk (und um das auch mal klar zu sagen: de Niro kann Gandolfini in keinster Weise das schauspielerische Wasser reichen). Ein Großteil des "Sopranos"-Humors basiert ja darauf, dass die Hauptfigur mal wieder von irgendwas genervt ist - von seiner Familie, seiner Gangsterbande oder irgendwelchen Umständen. Wahrscheinlich hat es in der gesamten Film- und TV-Geschichte keinen überzeugenderen Genervten gegeben als ihn - und das Ganze im weiteren Verlauf der Serie nicht nur als satirisches Element zu nutzen, sondern auch zu einer selten intensiv gesehenen Tragik zu führen, ist eine der großen Stärken der "Sopranos".
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bubu
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[QUOTE=Torsten;287281]Meine Kritik zu "2001" bezieht sich aber nicht auf die Inszenierung, sondern auf die Sinnhaftigkeit - und das kann man bei Werken, die so existenzielle Fragen aufwerfen, heute noch genauso tun wie vor Jahrhunderten [/QUOTE]

Stimmt. Aber auch bei "2001" ist der zeitliche Kontext sehr wichtig, wenngleich der Film selbst recht zeitlos anmutet (und riesige Zeitsprünge macht). Ich nehme mal Bezug auf Dein (mittlerweile acht Jahre altes – Wahnsinn, wie die Zeit hier vergeht!) Posting aus Deinem Eingangspost für diesen Thread. Du bemängelst den "philosophischen Tiefgang, der sich in mancherlei Hinsicht eher als geschickter Etikettenschwindel erweist".

Genau so kann man den Film sehen. Und da wird's tricky: Ist es ein gewollter Etikettenschwindel? Oder ein unabsichtlicher? Der Film entstand Ende der 60er, als bekanntermaßen in den USA die Hippie-Bewegung stark war, wild mit Drogen experimentiert wurde und beispielsweise Leute wie Timothy Leary LSD-Konsum als Erleuchtungspfad zu einem besseren Dasein empfahlen. Wohlgemerkt: Das waren ernst gemeinte Vorschläge und zeigen: Da befand sich ein Land auf kollektiver Sinnsuche und war offensichtlich anfällig für philosophischen Etikettenschwindel. Mit Sicherheit hat sich das in "2001" niedergeschlagen.
Zuletzt geändert von bubu am Do Jan 01, 1970 1:00 am, insgesamt 0-mal geändert.
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Ich mache mit sieben weiteren Freunden ab und an einen Filmeabend, bei dem immer der/die Einladende den Film raussuchen darf und die anderen dürfen erst nach Anschauen des Films mit Manöverkritik um sich werfen. So habe ich kürzlich auf einem Filmabend Auf der anderen Seite von Fatih Akin angeschaut. Der Film wurde ja mit Preisen überhäuft und wurde überschwenglich gelobt.

Seltsamerweise fanden nahezu alle geladenen Gäste bis auf eine Frau und der Einladende selber den Film einfach nur anstrengend und dröge und auf die Frage, ob der Film den den Leuten gefallen hat, kam sechs Mal ein eindeutiges "Nein". Ich weiß nicht, ob den Film hier jemand kennt und ihn gesehen hat, aber mein Fall war er definitiv nicht.

@Torsten / Bubu

Auf diese ganzen Rankinglisten, die im Internet veröffentlich sind, gebe ich wirklich gar nichts, denn sie sind einfach viel zu leicht manipulierbar. Ich erinnere nur daran, dass bei der imdb es doch schon diese Abstimmungen um den schlechtesten Film aller Zeiten gegeben hat. Und als die Super Babies drauf und dran waren, vom Thron gestoßen zu werden, haben zig Leute einfach bei "Daniel, der Zauberer" die Höchstwertung angeklickt, nur um ihn nicht als schlechtesten Film durchgehen zu lassen. Wie peinlich ist das denn bitte? Ein Großteil der Leute hat diesen Film garantiert nicht gesehen, wahrscheinlich auch von diesem Film noch nie etwas gehört. Vielleicht liegt es mit der Bestenliste eben ähnlich.

Übrigens: Einer flog übers Kuckucksnest habe ich vor einem Jahr mit einer Schülergruppe angeschaut, da ich einen Abikurs übernehmen musste für eine Kollegin, die schwanger wurde und mit ihren Schülern das Buch von Ken Kesey gelesen hatte. Fazit: Die meisten Schüler fanden den Film einfach nur "doof", "langweilig" und - auch diese Bemerkung kam - "behindert". Einen tieferen Sinn konnten sie einfach nicht erkennen. Lediglich ein Schüler hat einen Vergleich zum Film "K-pax" gezogen und konnte dies auch recht gut begründen.
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