Der New Wave-Look

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Johnston
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[quote=Babooshka;266540]Danke Johnston für deine tolerante Einstellung. Hat es dich damals also nicht gestört, wenn Stinos das eine oder andere Waver-Element für sich übernommen haben?[/quote]

Warum sollte ich mich daran stören, warum hätte ich mich daran stören sollen? Ich komme selbst aus einem strengen Elternhaus, mußte mir abrasierte Schläfen und schwarz geschminkte Augen hart erkämpfen, Freunde hatten ebenfalls strenge Eltern. Wenn's nach mir gegangen wäre, hätte ich bereits mit 16 ausgesehen wie Rozz Williams von Christian Death. Meine ersten Pikes mußte ich an den Händler zurückschicken, weil man elterlicherseits befürchtete, die Leute könnten reden und mich für 'ne Tunte halten, es kam durchaus vor, daß ich mir die Schminke aus dem Gesicht waschen mußte, wenn ich in die Disko wollte, der Kleinkrieg mit den lieben Erziehungsberechtigten gipfelte darin, daß meine Ma sämtliche schwarzen Klamotten einsackte und meinem Vater zum Verbrennen im Hof überließ. :D

Die hatten's echt nicht leicht mit mir und ich nicht mit ihnen; damals habe ich sie dafür gehaßt, aus der Distanz kann ich vieles nachvollziehen, wenn auch nicht verstehen.

Immerhin war jeder Strich mit dem Kajal, jedes neue Poster von Robert Smith, Frank 'n Furter oder Rozz und Valor ein kleiner Triumph, ein Stück gewonnene Freiheit.:cool:

Warum sollte ich es also jemandem übel nehmen, der nicht die Brieftasche und die liberalen Eltern hatte, um wie ein kleiner Robert auszusehen oder sich im zarten Alter von 15 eine hautenge Corsage im Madonna-Look anzuziehen? Es ging doch darum, anders zu sein, nicht der Meute hinterherzulaufen, um Individualität - und dazu reichte manchmal schon einfache Dinge und kleine Schritte. Gerade unter den Leuten, die sich als Waver bezeichneten..."must haves" und "do & don't", das gab's damals bei uns nicht. Jeder verfolgte seine eigene Linie und irgendwo hatten alle einen gemeinsamen Nenner, der uns zusammenschweißte. Ich erinnere mich an lustige Nächte mit Psychobillies und Punks, Wavern und völlig einafchen Leuten.

Schlimm wurde es erst, als die ersten Glatzen mit Bomberjacke und Domestosjeans auftauchten und scharenweise Jugendliche bei uns anfingen, das nachzumachen - ohne eine Ahnung zu haben, daß das kein neuer Modetrend war, sondern ein - für jegliche Individualität tödlicher - tragischer Irrtum... :mad:
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Babooshka
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Ja, so war das nun mal: Damals trugen viele Jugendliche einen bestimmten Look, ohne die Lebensphilosophie zu haben. Meine Freundin war Anfang der 80-er Popperin, hatte aber absolut keine Poppermentalität und ich war alternativ und trank Wildkirschtee, war aber völlig unpolitisch und auch weichen Drogen gegenüber völlig abgeneigt. Uns beiden gefiel aber eben die jeweilige Mode, und beide änderten wir einige Jahre später unseren Look.

Dabei muss ich immer daran denken, wie intolerant und Ehrenkodex-bewusst die Teds doch damals untereinander waren :) Den Rebel, diese Südstaatenflaggen-Anstecknadel, gab's an jedem Straßenschmuckstand zu kaufen - tragen durfte ihn aber nur, wer auch zu einer Ted-Gang gehörte. Ein Bekannter von mir war absolut eingefleischter Ted und wagte es, ohne Gang-Zugehörigkeit einen Rebel zu tragen. Dem sind die Jungs sofort auf die Bude gerückt, als ihnen das zu Ohren kam. Da bin ich ja direkt froh, dass mir kein Waver unter Androhung von Prügeln befohlen hat, sofort meine Robert Smith-Frisur aufzugeben, weil eine solche eben nur echten Wavern zusteht :)

Wie heißt es da in diesem Lied von Flatsch "Die gute alte Zeit"? - "Ich war Punk und du warst bei der Bank, das war gar kein Problem."
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Johnston
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[quote=Babooshka;266567]Ja, so war das nun mal: Damals trugen viele Jugendliche einen bestimmten Look, ohne die Lebensphilosophie zu haben...


...Dabei muss ich immer daran denken, wie intolerant und Ehrenkodex-bewusst die Teds doch damals untereinander waren :) Den Rebel, diese Südstaatenflaggen-Anstecknadel, gab's an jedem Straßenschmuckstand zu kaufen - tragen durfte ihn aber nur, wer auch zu einer Ted-Gang gehörte. [/quote]

Da hast du mit kurzen Sätzen die ganze Logik der Jugendkulturen erfaßt: Eigentlich hatte keine Jugendkultur, egal ob Punk, Mods, Skins, Waver, Teds, Psychobillies, Rocker eine tiefergehende Philosophie. Die vermeintlich in den Jugendkulturen begründeten Philosophien und Ideologien wurden von außerhalb - vor allem durch Medien - in die Jugendlichen reininterpretiert: Punks müssen asozial sein und schnorren, Mods sind immer geschniegelt, schaufeln sich Händevoll Aufputschmittel rein und müssen THe Who hören, Skinheads sind sowieso Faschisten (was für ein Blödsinn: Die Skinheadbewegung entwickelte sich Ende der 60er aus der linken, britischen Arbeiterklasse!), Waver und Gruftis schlachten Katzen, schänden Friedhöfe und sind grundsätzlich Satanisten.

Das beste Beispiel gibst du selbst: Der von deinen Teds so stolz getragene "Rebell". Wenn einer der Jungs sich vor Augen gehalten hätte, daß das Ding kein Abzeichen zum Signalisieren von irgendeiner Bandenzugehörigkeit ist und war, sondern südamerikanisches Symbol für Sklaverei, Unterdrückung und Rassenhaß, dann hätte ein logisch und sozial denkender Mensch das Ding sofort von seiner Jacke gerissen, anstatt stolz darauf zu sein, zu einer Gang zu gehören. Bei den Wavern war es ähnlich mit umgedrehten Kreuzen, bei den Punks in London war es das zur Schau getragene Hakenkreuz - nicht in politischer oder ideologischer Absicht getragen, aber gut geeignet, um Normalbürger, die sofort den Skandal und Niedertracht witterten auf 180 zu bringen.

Bei allen Jugendkulturen ging es um Abgrenzung, Anderssein, Distanz zu dem, was man nicht sein wollte. Nicht um mehr und nicht um weniger. Und weil das etwas dürftig, inhaltslos und leer war, haben Presse, TV und Medien dieser Leere eine neue, aufregende Verpackung gegeben, die sich prima vermarkten und verkaufen ließ. Eine Gruppe Gruftis, die friedlich auf der Domplatte in Köln sitzt und plaudert ist eben nicht halb so aufregend wie die Vorstellung, die ziehen im Anschluß daran nach Einbruch der Dunkelheit zum nächsten friedhof, um schwarze Messen zu zelebrieren.

Auch das war Bestandteil der 80er: Marktlücken wittern, Marktanteile besetzen, verkaufen um des lieben Geldes Willen - scheiß auf Integrität, auf Respekt, auf Wahrheitsgehalt. Give the people what they want.

Bestes Beispiel dafür ist der bekannte, reißerische Bericht aus der Zeitschrift "Quick" Ende der 80er über den "Grufti" Heino und seine Freundin Lilith: Sie würden im Sarg schlafen, seine Mutter wäre schon ganz verzweifelt, sich aber trotzdem zum Fensterputzen auf das Ding draufstellen.

Einige Jahre später schrieb dieser "Heino", der tatsächlich Heiko hieß eine Gegendarstellung in der "Zillo": Den Sarg hatte man ihm als Honorar für ein Interview versprochen, wenn er sich damit ablichten ließe. Der Rest des Artikels war frei erfunden... :kill:
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Bounty
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Der erwähnte Heiko gehörte zu meiner Clique und wir haben uns köstlich amüsiert...auch im Zwischenfall sprangen mal welche vom Stern oder Spiegel rum, den es um Jugen dudn Drogen ging...Heiko (weil so schön aufgebrezelt) wurde fotografiert, ich zitiert und wir haben an dem Abend auf Kosten der Zeitung gesoffen *G*
Beide Berichte müßte ich noch haben.
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