Serious Business im Kinderzimmer: Lego vs. Playmobil

Ob der wilde Süden oder der kühle Norden, hier trifft man sich zwischen den großen Treffen
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Thomas Ray Dolby
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Was seit den späten 90ern der Konsolenkrieg ist, war in den 80ern die Diskussion „Lego vs. Playmobil“. Es ging um die Dominanz in den deutschen Kinderzimmern, Zimmer für Zimmer.

In den 70ern war die Welt ja noch in Ordnung. Lego hatte die großen Steinekisten und einzelne Bausätze für Gebäude, Fahrzeuge etc. Figuren gab es auch, aber die puppenartigen Maxifigs hielten sich nicht lange. Besonders schön waren sie nicht. Sie waren unpraktisch, weil sie unterhalb des Brustkorbs aus Steinen modelliert werden mußten und daher keine beweglichen Beine hatten, was die Bespielbarkeit hart einschränkte. Und während es puppenstubenartige Mobiliarsets gab, gab es nie passende Gebäude: Die Maxifigs waren dafür schlicht und ergreifend zu groß. Maxifig-Häuser hätten puppenhausartige Dimensionen angenommen, was horrende viele Steine, horrende lange Bauzeiten und sich kaum verkaufende Spezialteile (Türen, Fenster) erfordert hätte.

Playmobil hatte Figuren. Ziemlich gute sogar. Aber es gab wenig Zubehör, allenfalls einige wenige Fahrzeuge, aber auch die Playmobil-Figuren galten als zu groß für Gebäude. Findige Bastler konnten beides miteinander kombinieren und – unter Anwendung kreativer Hacks bei Türen und Fenstern – Lego-Häuser für Playmobil-Figuren bauen, dito zusätzliche Fahrzeuge, die Playmobil nicht anbot.

Dann aber brachte Lego die Minifigs. Die erste Generation, die sich auch nicht lange hielt, hatte noch unbedruckte Köpfe, und die beiden Körperhälften hatten jeweils nur reliefartig angedeutete Gliedmaßen. Beweglich war nichts. Die endgültige Version, die es heute noch gibt, kam 1978 – und stach Playmobil klar aus. Die Hände waren drehbar – hier mußte Playmobil nachziehen. Die Beine waren individuell beweglich – das konnte Playmobil bis heute prinzipbedingt nicht realisieren. Man konnte sich seine eigenen Figuren zusammenstellen – bei Playmobil war es schon schwierig genug, die Frisur auszutauschen; dafür können Playmobil-Figuren gleichzeitig Haare und eine Kopfbedeckung haben.

Gut, einerseits sahen Lego-Figuren nicht ganz so gut aus. Sie waren klobig und gedrungen, weil sie ins Lego-Raster passen mußten, und ihre Beine und Füße waren löchrig, um sie auf den Lego-Noppen fixieren zu können. Sie waren auch deutlich kleiner als Playmobil-Figuren. Aber gerade letzteres spielten sie als Vorteil aus, denn praktisch zeitgleich baute Lego fast sein ganzes Sortiment (außer Technics, das damals auch aufkam und Fischer-Technik und Metallbaukästen angriff) auf die Kompatibilität zu Minifigs um. Es gab Fahrzeuge, in denen Minifigs sitzen konnten – normalerweise nur ein Minifig, während in Playmobil-Autos traditionell zwei Sitze nebeneinander zu finden sind, dafür waren Lego-Autos sehr viel kleiner und platzsparender. Die Lego-Gebäude wiederum wuchsen ein Stück, vor allem in die Höhe (von vier auf fünf Steine), damit die Minifigs darin aufrecht stehen konnten, und waren nunmehr hinten offen und „möbliert“ und damit wie Puppenhäuser bespielbar. Gleichzeitig waren sie nur unwesentlich größer oder teilweise sogar kleiner als Playmobil-Autos.

Lego startete Ende der 70er praktisch vom Fleck weg gleich drei grundlegende Themenwelten mit Minifigs: Stadt, Weltraum und [s]Mittelalter[/s] Ritterburg. Letztere hatten in ihrer ersten Inkarnation noch gelbe Mauern, weil graue Burgen zu „unbunt“ gewesen wären und Lego graue Teile fast nur für das Weltraumsortiment herstellte (und auch da überwiegend Platten und Kleinteile). Gerade das Mittelalterthema bekam aber in den frühen 80ern mehr und mehr Spezialteile, darunter reitbare Pferde, die es bald auch in der Stadt geben sollte.

1980 erfuhr die Lego-Eisenbahn ihren großen Reboot. Die Schienen waren nun grau statt blau, die Schwellen dunkelgrau statt weiß (obwohl es Braun bei Lego schon gab in Form des Besens). 12 V sollte nun der Kern des Sortiments werden mit drei Zugsets, zwei Einzelloks und genügend elektrischem Zubehör, um eine Lego-Eisenbahn fast wie eine „echte“ Modelleisenbahn betreiben zu können. Neu waren auch Leuchtsteine, mit denen Loks und Triebwagen sowie die Anlage selbst beleuchtet werden konnten (und Lego verdiente sich eine goldene Nase an stationär eingesetzten, ständig schlagartig mit 12 V beaufschlagten und schnell durchbrennenden Leuchtsteinen, zumindest bei den Leuten, denen der Ersatzteilpapst Paul Prima nicht dazu riet, die Leuchtsteine paarweise in Reihe zu schalten). Zahllose junge Lego-Nerds bespielten ihre Anlagen im dunklen Zimmer, damit die Illumination besser zur Geltung kam, und rüsteten unbeleuchtete Triebfahrzeuge mit Spitzenbeleuchtung (das war durchweg von Lego so vorgesehen) und teilweise sogar Reisezugwagen mit Innenbeleuchtung aus.

Playmobil hatte zwar immer noch den ästhetischen Vorteil, aber Legos riesige und stetig wachsende Produktbandbreite – zumal in Gebieten, die ehedem Playmobils Revier waren – zwangen zum Handeln. Auf einmal gab es auch von Playmobil Gebäude, eine zunehmende Anzahl und Auswahl an Fahrzeugen, sogar Raumschiffe und -stationen. Die waren zwar groß und bestanden aus wenigen raumgreifenden Teilen, ließen sich daher auch nicht bei Nichtbenutzung sonderlich kompakt zerlegen, geschweige denn umkonstruieren, aber sie sahen schick aus und brachten Playmobil auf den Weg zu dem Vollsortimenter, der Lego längst war.

Auch eine Eisenbahn mußte her, ganz klar. Lego konnte auf Erfahrungen mit Eisenbahnen, sogar angetriebenen, zurückblicken bis in die späten 60er; auch 12 Volt gab es schon länger, nur erst seit 1980 mit Modellbahnfeatures wie elektrischen Weichen und Signalen mit Zugbeeinflussung. Playmobil hatte keinerlei derartige Erfahrungen. Also wandte man sich an LGB. Was folgte, war ein bemerkenswerter Technologietransfer: Gleismaterial, Fahrzeugmotoren, Kupplungen. Playmobil hatte davon eine Eisenbahn, die auch wirklich wie eine aussah, die ohne Mittelschienen auskam, die vor allem robust und sogar freilandtauglich war – das war wichtig, denn schon eine kleine LGB- oder Playmobil-Anlage brauchte sehr viel Platz. Und LGB hatte davon die berechtigte Hoffnung, daß so manch ein Playmobil-Jünger in späteren Jahren auf LGB „aufsteigt“ und dabei die vorhandene Anlage, die womöglich Papa durch den Garten gelegt hat, weiterbenutzen kann. Weil ja auch die Kupplungen von LGB übernommen waren, wären eine Zeitlang sogar gemischte Züge möglich gewesen. Zugbeeinflussung gab es von Playmobil nicht; wer schlau war, nahm einfach LGB-Komponenten.

Es dauerte nur wenige Jahre, und man konnte ganze Spielwelten nur mit Playmobil aufbauen. Oder nur mit Lego. Die Kombination war endgültig nicht mehr nötig.

Um so größer war aber der Wunsch, die Spielwelten einheitlich zu gestalten, zumal Lego und Playmobil nicht nur ästhetisch inkompatibel zueinander sind, sondern auch im Maßstab. Aber Stichwort „Spielwelten“: So etwas mußte überhaupt her. Eine ganze Stadt beispielsweise. Oder die essentiellen Sets eines Themenbereichs, z. B. des Wilden Westens oder der Piraten, die Playmobil zuerst und sehr lange exklusiv hatte – den Wilden Westen, weil Lego sich standhaft weigerte, als solche erkennbare Schußwaffen zu produzieren, und die Piraten, weil Schiffsrümpfe entweder Spezialteile (die Lego dann irgendwann doch noch produzierte) oder sehr aufwendige Bauweisen in seltsamen Farben (weil es kaum braune Steine gab) erfordert hätten.

Natürlich, es gab diejenigen, die weder vom einen noch vom anderen Hersteller großartig etwas hatten, vielleicht einige wenige kleinere Sets oder gar nur Figuren, die sie mal ungefragt zum Geburtstag oder zu Weihnachten geschenkt bekommen hatten. Wer sich aber in den 80ern wirklich für so etwas interessierte, der legte sich grundsätzlich auf eine Seite fest. Entweder Lego oder Playmobil. Dann aber konsequent in Monokultur.

Wenn der eigene Kumpel sich dann für die andere Seite entschieden hatte, spielten die Gemäßigten dann doch mit – solange sie sowas nicht zu Hause haben mußten. Die Hardliner verweigerten sich dem, weil sie es „doof“ fanden. So manch eine Freundschaft wurde riskiert, weil ein Lego-Anhänger einen nachgerade religiösen Haß auf die Playmobil-Ausstattung seines Kumpels hatte, den das natürlich umgekehrt zu einem ähnlichen Hardliner machte. Aber wenn man die Wahl hatte und nicht gerade in unterbevölkerter Provinz lebte, suchte man sich eben neue Freunde mit Lego. Ganz klar: Je mehr nerdige Anhänger einer der beiden Seiten sich im Namen eines der beiden Hersteller zusammentaten, desto nerdiger wurden sie.

Das alles den eigenen Eltern beizupulen, war alles andere als einfach. Die hatten ja nix™ damals™ in ihrer Kindheit, jedenfalls selten Lego (und dann noch die ganz frühen Steine, die nicht sehr haltbar waren, und deren Lego-Zeit war häufig sogar noch vor Schrägen für Dächer usw.) und Playmobil erst recht nicht. Aus ihrer Sicht konnte unsereins erstens froh sein, überhaupt so schöne Spielsachen zu haben, zweitens kannten sie diese Art von fundamentalistischem Fanboytum in bezug auf Spielwaren nicht (Modellbahner ausgenommen – Märklin vs. Trix Express vs. Zweileiter, vielleicht noch vs. Spur N), und drittens hatten sie weit weniger Überblick über die Sortimente und Möglichkeiten als ihre Kinder. Das heißt, bei Eltern ging das ja noch. Die wußten ja, daß sie zu Hause einen totalen Lego- oder Playmobil-Übernerd sitzen hatten. Aber Onkels, Tanten, Großeltern (die sich nie an Spielzeug aus Kunststoff gewöhnt haben) und wohlwollende Bekannte wußten das nicht und kauften Geschenke, ohne sich aufzuschlauen, was der zu Beschenkende überhaupt gebrauchen kann und was ganz und gar nicht („Wir hätten uns damals™ nach’n Kriech™ gefreut …“).

Und dann bekam man als Playmobil-Fundi eine Lego-Feuerwehrwache hingestellt. Umtauschen ging nicht, weil man ja den Kassenbon nicht mit dazubekam und das Ding womöglich obendrein hunderte Kilometer weit weg gekauft worden war. Aufbauen und in Betrieb nehmen? Blasphemie! Beim nächsten Julklapp verklappen? Zu groß, zu teuer. Flohmarkt? Ja, wenn dann mal einer wäre – und wenn man überhaupt mal auf Flohmärkten was verkaufen würde. Also hat man sie schön in der OVP belassen und einen Mitschüler, Nachbarsjungen oder dergleichen versucht ausfindig zu machen, der a) Lego und b) noch keine Feuerwehrwache hatte. Wenn der Geburtstag hatte oder mal wieder Weihnachten war (je nachdem, was zuerst passierte), war man das Ding los. (Bonuspunkte, wenn man es vorher an seine Eltern verkauft hat, dann hatte man doch noch was Gutes davon, nämlich Bares.) Okay, die Tante, die einem das Teil untergejubelt hat, war natürlich not amused, als sie es bei ihrem nächsten Besuch nicht aufgebaut und in Betrieb vorgefunden hat, aber das war’s wert und für sie eine Lektion.

Kann sich noch jemand an Lego und/oder Playmobil der 80er erinnern und an den damit aufkommenden Glaubenskrieg? Auf welcher Seite wart ihr?
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Laschek
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Ein Glaubenskrieg? Echt? Also ich hab damals davon nix mitbekommen :zahn::nixweiss:
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Thomas Ray Dolby
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Na ja, es gab die, die hatten von beiden fast nichts, besonders dann, wenn sie sich für beides überhaupt nicht interessierten.

Wer das Ganze allerdings ernsthaft anging, der hatte tatsächlich entweder Lego oder Playmobil.

In den 70ern war es kurzzeitig noch etwas anders, da konnte man mit etwas Fantasie noch Lego-Gebäude und -Fahrzeuge mit Playmobil-Figuren und -Fahrzeugen kombinieren. Keiner von beiden bot alles an.

Aber ab Ende der 70er, als Lego die Minifigs einführte, wurden beide zu Vollsortimentern. Beide hatten Figuren, beide hatten Fahrzeuge, beide hatten Gebäude, beide hatten sogar eine fernsteuerbare elektrische Eisenbahn (Lego hatte 1980 seine seit den 60ern angebotene Eigenentwicklung modernisiert und gerade die 12-V-Bahn technisch auf Modellbahnniveau angehoben, Playmobil hatte Hilfe von LGB).

Es gab keinen Grund mehr, beide Hersteller zu kombinieren. Im Gegenteil, jetzt, wo es auch Playmobil-Gebäude und Lego-Figuren gab, fiel um so mehr auf, daß die Produkte der beiden Hersteller eigentlich überhaupt nicht zueinander paßten. Nicht nur mußte man nicht mehr mischen, man wollte nicht mehr mischen. Man wollte alles aus einem Sortiment von einer Marke haben – auch weil man das ja jetzt endlich konnte, vor allem aber, weil das am besten aussah. Aber letztlich auch, weil man ruckzuck zum Marken-Fanboy wurde.

Wie gesagt, wenn man Pech hatte, verstanden es die eigenen Eltern nicht. Denn als die so alt waren wie ihre Kinder, wären sie froh gewesen usw. usf. Es gab aber auch Fälle, wo die Eltern selbst ihren Nachwuchs, den sie als noch zu „klein“ für solche Entscheidungen erachteten, in die „richtige“ Richtung schoben – entweder zu Playmobil, weil das schöner und robuster war, oder zu Lego, weil das flexibler und kreativer war (und weniger Platz einnahm, wenn es mehr wurde und dauerhaft aufgebaut bleiben sollte). Im Idealfall hatten dann die Eltern sogar die Kontrolle darüber, was der Rest der Verwandtschaft dem Nachwuchs schenkte, daß das auch von der richtigen Marke war – gerade die Großelterngeneration, die Spielzeug aus Kunststoff generell nie kennengelernt hatte, hatte davon überhaupt keine Ahnung. Aber auch so wurden Fanboys erschaffen.

Es gibt übrigens noch einen älteren Thread, der nebenher auch noch Siku vs. Matchbox beleuchtet.
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